Vorwort

Neben meinem Studium an der Universität Bayreuth für Lehramt Realschule in der Fächerkombination Mathematik und Wirtschaftswissenschaften, arbeite ich im Studienkreis Hof als Nachhilfelehrerin. Diese Tätigkeit macht mir viel Freude und bereitet mich optimal auf meinen zukünftigen Beruf vor. Ich lerne den Schulstoff intensiver kennen und kann die Schwierigkeiten, die bei der Vermittlung auftreten, besser einschätzen. Für mich ist es nicht nur ein Einstieg in meinen Beruf, sondern gibt mir einen Erfahrungsschatz mit auf dem Weg, der meinen zukünftigen Schülern und mir sicherlich Vorteile bringt.

Das vergangene Schuljahr ist für alle zufriedenstellend gelaufen. Die Schüler waren durchwegs motiviert und mit einem abwechslungsreichen Konzept war ich in der Lage, sie für das belegte Fach zu begeistern.

Der Studienkreis begleitet die Schüler bis zum letzten Unterrichtstag. 3 Wochen vor Schuljahresende stellte ich fest, dass die Motivation bei den Schülern, als auch bei mir deutlich nachgelassen hatte – der Notendruck war weggefallen und im Schulunterricht selber wurde das Tempo gedrosselt. Es machte den Anschein, als ob die letzten Wochen im Studienkreis für mich und die Schüler einen unbefriedigenden Abschluss darstellen würde.

In dieser Zeit kam mir der Gedanke, dass ein Spiel, welches den Schulstoff des vergangenen Schuljahres noch einmal wiederholen würde, den Unterricht auflockern könnte und zusätzlich noch einen pädagogischen Nutzen haben würde. Ich recherchierte im Internet und bei diversen Spielverlagen, aber so ein Spiel, wie ich es mir vorstellte, schien es auf dem Markt noch nicht zu geben. Ich suchte nach einem „Grundwissenspiel“, welches Vergnügen und Wissen gleichzeitig abdeckt.

Mir kam die Idee, dass man, wenn schon nicht verfügbar, ein solches Spiel selber konzipieren könnte. Aus dem Gedankenspiel wurde Realität.

In meiner Arbeit möchte ich den Ablauf der Spielkonzeption, die Verwirklichung und die Erfahrungswerte im Einsatz darstellen. Abgerundet wird dies durch allgemeine Informationen zum Brettspiel, zur Praxis des Spielens und den Unterrichtsinhalten, welche im Spiel realisiert wurden.


Kritische Begutachtung des fertigen Spieles von einer mitwirkenden Schülerin

 

1. Didaktisches Grundprinzip

1.1. Spielen als Bestandteil von handlungsorientiertem Unterricht

- Begriffsbestimmungen -

1.1.1. Definition von handlungsorientiertem Unterricht

„Lernen mit Kopf, Herz und Hand.“

Im handlungsorientierten Unterricht ist das Tun in der Regel eingebettet in Lernaktivitäten, an denen mehrere Personen beteiligt sind. Das Ziel dieser Unterrichtsform ist es, dass man möglichst viele Sinneskanäle anspricht um einen guten Lernerfolg zu erzielen.

In mehreren Studien wurde erwiesen, dass wir

  • 10% von dem, was wir lesen,
  • 20% von dem, was wir hören,
  • 30% von dem, was wir sehen,
  • 50% von dem, was wir hören und sehen,
  • 70% von dem, was man selber sagt und
  • 90% von dem, was man selber tut

im Durchschnitt behalten.

Mit handlungsorientiertem Unterricht, also einem Unterricht in dem die Schüler aktiv in das Unterrichtsgeschehen eingebunden werden, können wir erwirken, dass der Lernerfolg und damit auch der Wissenserwerb auf „gesunde Art“ (Georg Kerschensteiner, 1854-1932) gesteigert wird.

Kennzeichen handlungsorientierten Unterrichtens:

  • Selbsttätigkeit (learning by doing) -> führt zur Selbständigkeit
  • Beteiligung der Schüler bei der Planung und Mitgestaltung des Unterrichts ist erforderlich, wenn Schüler verantwortlich handeln sollen
  • Orientierung an Schülerinteressen
  • Ganzheitliches Lernen in realen Handlungszusammenhängen
  • Lernen mit allen Sinnen, Neugierde wecken, fragen und stauen dürfen, Umwelt erfahren dürfen, Experimentierlust wecken, Fehler machen und versagen dürfen, aus Fehlern lernen dürfen
  • Integration von Hand- und Kopfarbeit
  • Öffnung der Schule (nach innen und außen)
  • Aufbau einer Methodenkompetenz
  • Situationen schaffen, in denen soziales Handeln, verantwortete Kommunikation möglich ist
  • Fächerübergreifendes Arbeiten
  • Herstellung und Präsentation von Produkten

1.1.2. Definition von Spielen

"Denn, um es endlich auf einmal herauszusagen, der Mensch spielt nur, wo er in voller Bedeutung des Worts Mensch ist, und er ist nur da ganz Mensch, wo er spielt." (Friedrich Schiller)

Kleine Kinder spielen, Schulkinder spielen, Jugendliche spielen und selbst Erwachsene frönen oftmals dem Spiel. Das Spiel an und für sich verändert sich, aber der Grundgedanke bleibt gleich. Es fällt schwer, eine genaue Definition dieser Beschäftigung abzugeben. Den besten Ansatz fand ich bei Johan Huizinga:

Spiel ist eine freiwillige Handlung oder Beschäftigung, die innerhalb gewisser festgesetzter Grenzen von Zeit und Raum nach freiwillig angenommenen, aber unbedingt bindenden Regeln verrichtet wird, ihr Ziel in sich selber hat und begleitet wird von einem Gefühl der Spannung und Freude und einem Bewusstsein des 'Andersseins' als das gewöhnliche Leben."

(Huizinga, Homo Ludens, S. 37)

Das Spielen ist nicht nur älter als die Kultur, sondern die Kultur entstammt dem Spiel, wie Huizinga in seinem empfehlenswerten Buch “Homo Ludens” (Der spielende Mensch) anhand von zahlreichen Beispielen verdeutlich. In jeder menschlichen Kultur wird gespielt, egal wie abgeschottet diese Kultur auch von der Außenwelt ist. Kultur setzt aber menschliche Gesellschaft voraus, während auch Tiere, die keine Kultur besitzen, spielen, so balgen sich z.B. Hunde aus Spaß, befolgen dabei aber u.a. die Regel, sich nicht gegenseitig das Ohr abzubeißen. Durch das Spielen unterscheiden sich somit die Lebewesen von mechanischen Wesen, denn Spielen ist unvernünftig. So können alle Bestandteile der menschlichen Kultur auf das Spielen zurückgeführt werden.

Eine Gerichtsverhandlung ist ein ausgezeichnetes Beispiel hierfür. Der Gerichtssaal ist ein geweihter und begrenzter Platz, mit seinen eigenen Regeln in dem Rangunterschiede aufgehoben werden. Der Richter tritt dabei aus seinem gewöhnlichen Leben, was dadurch dokumentiert wird, das er eine Verkleidung, die Robe, anlegt. Inhalt der Verhandlung ist schließlich der Kampf zweier Parteien, Anklage und Verteidigung, bei der es um das Gewinnen geht. Heute haben Gerichtsverhandlungen natürlich nur spielerische Züge, aber sie sind kein Spiel mehr, da der Ausgang einer Verhandlung natürlich Einfluss auf die Realität hat.

Wie aber alle anderen Bestandteile der menschlichen Kultur, liegen seine
Wurzeln im Spiel.

So steht das Spiel in unserer Auffassung dem Ernst gegenüber. Hiermit soll nicht gesagt werden, dass man nicht durchaus ernsthaft spielen kann, nur das Ergebnis eines Spieles hat keine lebenswichtigen Konsequenzen für das Dasein. Objektiv ist das Spielergebnis unwesentlich und gleichgültig. Nur für Teilnehmer, wie Spieler und Zuschauer, die sich in die Sphäre des Spieles begeben und dessen Regeln annehmen, ist der Ausgang wichtig. “Beim Spielen tun wir so, als ob etwas der Fall wäre: Wir erfinden, wir würfeln, wir pokern hoch oder niedrig und
konstruieren dabei Scheinwelten” (Meyer/Paradies, S. 10).

So spielen bei einem professionellen Fußballspiel lediglich die Zuschauer, da es für sie objektiv um nichts geht. Für sie geht es lediglich um die Ehre und sie versuchen durch Schimpfgesänge und Beleidigungen der Gegner, diese herabzusetzen. Die Fußballspieler hingegen spielen nicht. Bei ihnen geht es objektiv um etwas, nämlich ihren Beruf.

Sehr wesentlich ist bei allem Spiel, dass man sich vor anderen seines Gelingens rühmen kann. Bei Spielen von zwei Parteien geht es immer darum zu gewinnen, besser zu sein als der Gegner. Jeder Sieg vergegenwärtigt für den Spieler den Triumph der guten Mächte über die bösen und das Heil der Gruppe, die ihn erringt. Beim Spiel geht es also um Tugend, Ehre, Adel und Ruhm. So streben die Menschen, wie Aristoteles sagt, nach Ehre, um sich von ihrer eigenen Tugend zu überzeugen.

Die menschliche Natur strebt stehst nach Höheren, mag dies Höhere nun irdische Ehre und Überlegenheit oder ein Sieg über das Irdische sein. Die angeborene Funktion aber, durch die der Mensch dieses Streben verwirklicht, ist Spielen.

Beim Spielen werden die Spielregeln von allen Teilnehmern anerkannt, die ein Gelingen ebenso möglich machen, wie ein Versagen, einen Gewinn ebenso wie einen Verlust. Sein Charakter als Tätigkeit im Rahmen fester Regeln bringt das Spiel in die Nähe des Religiösen, als Ausdruck des immer Waltenden und Bestehenden. Spiel und Religion binden die Teilnehmer in eine Gruppe, sondern diese von der Welt ab und schaffen einen eigenen Raum. Als Beispiel seien hier die Olympischen Spiele, mit ihren zahlreichen Symbolen, wie die olympischen Ringe, dem olympischen Feuer, der olympischen Einmarschzeremonie usw., genannt. Zum anderen rückt das Moment des Zwecklosen, die Freude, die Unabhängigkeit davon, ob ein Ziel angestrebt und erreicht wird oder nicht das Spiel in die Nähe des Schöpferischen und Künstlerischen. So ist der Mensch, nach Schiller, nur dort ganz Mensch, wo er spielt.

Da die menschliche Kultur aber dem Spiel entstammt, ist es eben nicht möglich, dies genau zu definieren. Bei Definitionen greift man immer auf bereits zuvor definierte Begriffe, Axiome, zurück. Da das Spielen aber ein Urphänomen ist, können wir hier auf keine bekannten Axiome zurückgreifen. Spielen ist also ein gegebenes und hinzunehmendes, die Struktur der gesamten Erscheinung mitbestimmendes Prinzip, das sich zwar nicht definieren, wohl aber beschreiben und identifizieren lässt (Pöschko, S.5).

Das Spiel kann grundsätzlich in zwei Gruppen eingeteilt werden:

  • Bewegungsspiele, z.B. Ball-, Kugel-, Kegel- und Fangspiele, bei denen der Körper in Bewegung ist
  • Ruhespiele, dazu gehören die meisten Gesellschaftsspiele, Brett- und Kartenspiele. Spiele, die Aufmerksamkeit erfordern und es vonnöten machen, dass man mit Einsatzes des Geistes spielt.

Die Neugierde und die Lust auf das Spiel sind angeboren. Die Psychologie sieht das Spiel als Haupttriebkraft der frühkindlichen Selbstfindung und späteren Sozialisation des Menschen. Die Welt wird zuerst im Kinderspiel erforscht und reflektiert und das Kind zieht daraus die Lehren für das Leben.

1.2. Spielen im Unterricht

Bei genauer Betrachtung der Definition von handlungsorientiertem Unterricht wird man feststellen, dass Spielen im Unterricht viele Kennzeichen dieser Unterrichtsform beinhaltet. Das Spiel ist ganzheitlich einzuordnen. Kopf, Herz und Hand – diese Punkte sind dabei alle erfüllt. Der Schüler muss sein Wissen einsetzen, logische Zusammenhänge erkennen und für das Spiel strukturieren, sollte Freude am Spiel haben und im Normalfall auch etwas erschaffen, was mit seinen Händen getätigt wurde.

Spielen im Unterricht ist ein Schritt auf einem Weg, der weg vom traditionellen Frontalunterricht führt und vielleicht auch eine Portion Mut von der Lehrkraft erfordert. Es ist im normalen Schulbetrieb eher die Seltenheit, dass man alternative Wege der Wissensvermittlung beschreitet, aber die heutige Generation der Schüler nimmt diese Unterrichtsform dankbar an und die Erfolge sind objektiv sichtbar. Nach einer Studie von Kaiser und Kaminsky (S. 81) verteilen sich die Unterrichtsformen in den Fächern Deutsch, Gemeinschaftslehre und Naturwissenschaften folgendermaßen:

  • Frontalunterricht 76,86%
  • Einzelarbeit 10,24%
  • Partnerarbeit 2,88%
  • Gruppenarbeit 7,43%
  • Klassenkooperation 2,59%

Es wird also eindeutig der lehrerzentrierte Unterricht in den Schulen bevorzugt.

Die Schule bereitet den Schüler auf sein Leben danach vor, dafür müssen ihm Schlüsselqualifikationen vermittelt werden. Das Berufsleben fordert Qualifikationen wie Kommunikations- und Ausdrucksfähigkeit, Phantasie, Kreativität und strategisches, problemlösendes Denken. Während am Anfang des vergangenen Jahrhunderts noch das System im Vordergrund stand, befindet sich die Arbeitswelt heute in einem Wandel und diese Schlüsselqualifikationen nehmen einen immer größeren Stellenwert ein und die Person steht im Mittelpunkt. Heute übernehmen Maschinen die Routinearbeit, während der Mensch reparieren, konstruieren und entwickeln muss.

Für die Zukunft müssen also immer mehr dieser Schlüsselqualifikationen (Kommunikation, Kooperation, Problemlösung, Entscheidung, Selbständigkeit, Verantwortung, Belastbarkeit, Kreativität, Flexibilität und Lernfähigkeit)  bzw. die 4
Kompetenzen (Selbst-, Methoden-, Sach- und Sozialkompetenz) gefördert werden. Die Lehrpläne fordern aus diesem Grund auch einen schülerorientierten Unterricht.

Spielen ermöglicht eben diese lebensnahe Auseinandersetzung mit existierenden Themen, wobei das Spiel insbesondere aktives, kreatives und selbständiges Lernen ermöglichen kann und die Kommunikation und das Vertrauen zwischen den Schülern und zwischen Schüler und Lehrer fördern kann (Klippert, S. 15).

So können Erfahrungen in einem Schonraum ohne die Gefahr von ernsthaften Konsequenzen und mit Spaß gemacht werden. Aus diesem Grund bezeichnet Hilbert Meyer (S. 345) Spielen auch als Probehandeln. Im Spiel kann man Verhaltensweisen erproben, Erfahrungen machen, Zusammenhänge erkennen, eigene Standpunkte bestimmen und Verantwortung übernehmen.

Dies kann entscheidend zur Förderung der Eigenständigkeit und Selbständigkeit des Schülers für die Demokratie und Wirtschaft beitragen. So stellten schon Pestalozzi, Locke und Rousseau fest, dass das Spiel die Grundlage für Können, Wissen und Moral legt (Klippert, S. 15).

Ein zentraler Grund für die stärkere Einbindung von Spielen in den Unterricht ist, dass Schüler sich so intensiver und wirksamer mit dem Stoff auseinandersetzen, sie wenden sich Problemen eher zu und suchen ausdauernder nach Lösungen (Kaiser / Kaminsky, S. 147).

Der Schüler will kompetent werden (Kompetenzmotivation). Durch das gesteigerte
Interesse, wird die gewonnene Erkenntnis außerdem so besser im Gedächtnis gespeichert (Kompetenz durch Handeln). Denn wenn Schüler sich mit einem Gegenstand identifizieren können, erhält dieser einen Sinn und wird somit besser behalten (Gudjons, S. 7-8). Festzustellen ist ferner auch eine enge Verbindung zwischen Handeln und Gedächtnis. Wenn möglichst viele sinnliche Eingangskanäle benutzt werden, ist die Gedächtnisleistung höher (siehe S. 5 – Definition von handlungsorientiertem Unterricht).

Ein Lehrer muss genau abwägen, wann der Einsatz eines Spieles sinnvoll und pädagogisch vertretbar ist.

Ein Spiel kann eine Abwechslung sein um Schüler für eine gute Leistung zu belohnen oder es kann ein Lernspiel sein, welches unterstützend eingesetzt wird. Idealerweise wählt man ein Spiel, bei dem man möglichst alle Schüler einer Klasse integrieren kann. Man muss damit rechnen, dass dieser Einsatz nicht ohne Folgen für die Lautstärke im Klassenzimmer bleibt; die Schüler lachen, unterhalten sich und diskutieren. Aber Kommunikation untereinander fördert auch die Klassengemeinschaft und kann so zusätzlich positiven Nutzen haben.

So kann sich ein neuer Klassenverband durch das Spielen kennen lernen und Außenseiter können, z.B. durch Gemeinschaftsspiele, in den Verband integriert werden. Ebenso können Beziehungen entwickelt und gefestigt werden. Im Spiel ist jeder Schüler dazu gezwungen, sich selbst besser kennen zu lernen. So muss er mit Misserfolgen umgehen können, ebenso wie aber auch ein ansonsten schlechter Schüler im Spiel durch Erfolge sein Selbstwertgefühl steigern kann. Dies kann ebenso wie der Abbau des Kräfteüberschusses, der im Spiel stattfinden kann, auch helfen, Gewalt und Vandalismus an Schulen und in der Gesellschaft abzubauen.

 

1.3. Mögliche auftretende Probleme beim Spielen im Unterricht

Man muss immer zwei Seiten beleuchten.

Bisher habe ich nur die positiven Effekte angesprochen, die das Spielen im Unterricht nach sich zieht. Aber natürlich gibt es auch hier Probleme, die auftreten können. Es können eine Vielzahl von Problemen auftreten und nicht alle treten bei jeder Spielform auf.

Als Lehrer muss man sich an eine veränderte Lehrerrolle gewöhnen, da man nun stärker die Rolle des Vermittlers und Beraters übernehmen muss. Dabei muss man aber auf eventuelle Disziplinschwierigkeiten der Schüler vorbereitet sein, da nicht alle Schüler, insbesondere wenn sie es nicht gewöhnt sind, mit den
Freiräumen umgehen können. Hier empfiehlt es sich, erst mit kleinen Spielen zu beginnen, um die Schüler an das Spielen in der Schule zu gewöhnen.

Man sollte also nicht gleich mit einem komplexen Planspiel beginnen, da dies zahlreiche methodische Kompetenzen verlangt. Dabei ist auch darauf zu achten, dass nicht nur im Unterricht gespielt wird. Nur Spielen ist genauso falsch, wie überhaupt nicht Spielen. So muss man darauf bedacht sein, dass die Leistungen, insbesondere im Sachwissen, nicht abnehmen.

Ferner muss man berücksichtigen, dass der Mensch sowohl den allgemeinen Begriff, wie auch die konkrete sinnliche Erfahrung zur Schulung des Verstandes braucht. Denn “Gedanken ohne Inhalt sind leer, Anschauungen ohne Begriffe sind blind” (Kant). So brauchen Kinder sowohl Wahrnehmung, als auch Begriffe, um Gegenstände erfassen zu können. Beides muss gefördert werden.

Ein Unterricht, der nur aus Handlung, wie Spielen, besteht, ist genauso wenig sinnvoll, wie ein Unterricht, der nur das Wort in den Mittelpunkt stellt. So war
einer der größten Fehler der Reformpädagogen, dass sie im Geometrieunterricht

zu viele Bilder und zu wenig Begriffe gelehrt haben (Aebli), was bewirkte, dass die Schüler die Bilder nicht wirklich verstanden. So kann man ohne die Begriffe Länge, Breite und Höhe auch nicht das Volumen eines Würfels berechnen.

Außerdem muss man beachten, dass mein als Lehrer einer Beurteilungspflicht unterliegt und Zeugnisnoten vergeben muss. Da nicht alle Schüler sich gleich intensiv mit einem Thema beim Spielen im Unterricht befasst haben, wie es im
Frontalunterricht der Fall ist, ist es nur schwer möglich nach einem Spiel eine Klassenarbeit zu schreiben. Eine alternative Möglichkeit wäre allerdings z.B. die Bewertung von Spielprotokollen.

Es ist ein zeitlicher Mehraufwand festzustellen. So ist die Bearbeitung eines Themas durch z.B. ein Planspiel in der Regel deutlich zeitintensiver als bei einer frontalen Bearbeitung. Ebenso benötigt das Lehren von Methoden, die gerade bei den höheren Formen des Spiels notwendig sind, sehr viel Zeit. Dieser Aufwand zahlt sich erst in einem großen Zeitraum aus, wenn die Schüler gelernt haben, verschiedene Methoden selbständig anzuwenden.

Auch der Lehrer unterliegt einem zeitlichen Mehraufwand bei der Vorbereitung des Unterrichts, da er umfassender über das Thema informiert sein muss und häufiger Materialien vorbereiten muss, als beim Frontalunterricht.

Der Vorteil hierbei ist allerdings, dass der Lehrer im Unterricht entspannter arbeiten kann. Er übernimmt nun nicht mehr die Rolle eines “Kinderdompteurs”, der ständig die Aufmerksamkeit der ganzen Klasse auf sich ziehen muss, sondern er ist lediglich in beratender und unterstützender Funktion tätig.

Probleme können auch mit den Kollegen auftreten. So ist Spielen im Unterricht in der Regel deutlich lärmintensiver, als der Frontalunterricht, was Unterrichtsvorhaben anderer Klassen stören könnte. Außerdem könnten Eltern “richtigen” Unterricht fordern, da Frontalunterricht und die Vermittlung von Sachwissen in Teilen unserer Gesellschaft immer noch als wichtiger erachtet werden als Methodenwissen.

Außerdem gibt es räumliche und zeitliche Begrenzungen, beispielsweise der bekannte 45 Minuten Takt, der beachtet werden muss. Die meisten Klassenzimmer sind so eingerichtet, dass die Klassen ausreichend Platz haben. Ausreichend ist da im Sinne von Frontalunterricht zu verstehen – Bankreihen, die eng gedrängt hintereinander stehen.

1.4. Spielen und Lernen

Spiel und Lernen widerspricht sich teilweise.

Spiel ist Selbstzweck und zielt nicht auf ein Ergebnis. Lernen hingegen ist Mittel zum Zweck und man strebt ein Ergebnis an. Ein Spiel beendet man, wenn man keine Lust mehr hat, das Lernen nicht unbedingt. Bei Intelligenzleistungen sind Assimilation und Akkommodation aufeinander abgestimmt (Ziel ist das Gleichgewicht).

Assimilation: die Integration eines Gegenstandes in ein kognitives Schema

Akkommodation: Anpassung an die Wirklichkeit

Das Spiel ist hingegen nach Piaget einseitig auf Assimilation ausgerichtet. Der Spieler passt die Umwelt den eigenen Kategorien (Bedürfnissen) an. Das Kind wehrt sich somit gegen den Sozialisationsdruck.

Es stellt für den Spieler allenfalls einen Nebeneffekt dar, das Spielen entwicklungsfördernd für die Sensorik, Intelligenz und Lebensbewältigung ist. Häufig ist sich der Spieler, gerade wenn es sich um Kinder handelt, dessen nicht einmal bewusst.

Gerade dieses Unbewusste kann für den Pädagogen ein besonderer Vorteil sein. Der Spieler lernt, ohne dies zu wissen und negative Erfahrungen, die beim Lernen auftreten können, wie z.B. Unlust werden so vermieden.

Was und warum man lernt, hängt vom jeweiligen Spiel ab.

1.4.1. Sensomotorisches Spiel (Funktionsspiel)

Bereits im Säuglingsalter beginnt das Baby, seine Sinne kennen zu lernen und hiermit seine Umwelt zu erkunden. Es wird ein Geräusch durch eine Rassel herbeigeführt oder ein Spielzeugauto mit der Hand bewegt. Wenn eine Leistung vollbracht wurde, tritt eine sekundäre Kreisreaktion ein. Die Leistung wird aufgrund von Freude und Lust immer wiederholt, bis sie schließlich beherrscht wird. Dies gibt dem Kind das Gefühl, die Umwelt meistern zu können.

1.4.2. Das Symbolspiel

Beim darauf in der Entwicklung folgenden Symbolspiel, assimiliert das Kind die Umwelt, ohne dabei primär lernen zu wollen. Es will groß und stark wirken und Handlungen verwirklichen, die es aufgrund des Alters noch nicht durchführen darf (z.B. Autofahren). Dies fördert das Operieren mit Gedanken und Repräsentationen.
Ferner lernt das Kind, was Realitätskonstruktion ist - alle Gegenstände und Situationen erhalten ihre Bedeutung und Bestimmung durch menschliche Zuweisung und Interpretation.

1.4.3. Das Rollenspiel

Das Rollenspiel weitet das Symbolspiel auf soziale Situationen aus. Es verlangt ein Rollenverständnis, das Einhalten von Rollenvorschriften und das sich hineindenken in andere. Ferner lernt man Handlungsmuster der Rolle (Lehrer, Arzt, Kaufmann usw.).

1.4.4. Das Regelspiel

Das Regelspiel (z.B. Brettspiel) vermittelt das Gefühl der Konkurrenz (man kann Gewinnen und Verlieren) und verlangt in der Regel Fair Play. In komplexeren Formen kann dies frühestens im Grundschulalter erlernt werden.

1.4.5. Das Konstruktionsspiel

Beim Konstruktionsspiel muss man etwas herstellen (bauen). So lernt man u.a. physikalische Gesetzen kennen, da ein Turm umfallen kann, wenn man ihn falsch baut, ebenso wie diese Spielart die Motorik fördern kann.

Das Lernen im Spiel erfolgt entweder inzidentell oder intentional. Das inzidentelle Lernen ist ein beiläufiges Lernen im Spiel, wie das Erlernen der Muttersprache bei Kindern oder das Kennen lernen von persönlichen Vorlieben und Abneigungen. Das intentionale Lernen hingegen ist in den Spielrahmen eingebettet, wie das Üben des Schlittschuhlaufens oder das Bauen eines Turmes von zwei Kindern.

Das Gelernte wird im deklarativen oder nondeklarativen Gedächtnis abgespeichert. Das deklarative Gedächtnis sind Gedächtnisinhalte, die dem Bewusstsein zugänglich sind.

Beim nondeklarativen Gedächtnis bleiben die Gedächtnisinhalte hingegen den bewussten Zugang entzogen, die aber den Vollzug von zahlreichen Handlungen gewährleisten, wie die Konditionierung von Gewohnheiten und Gefühlen.

Intentionales Lernen im Spiel unterscheidet sich vom Lernen außerhalb des Spiels dadurch, dass es in einem anderen Bezugsrahmen eingebettet ist. In diesem Rahmen ändert sich die Realität des Kindes, es lebt in einer anderen Welt, in einem anderen Realitätsbezug. So kann im Spiel eine Reflexionsschleife auftreten, ein Handlungserlebnis wird sprachlich fixiert und dem Kind zurückgespielt (“Das schmeckt der Puppe aber gut”), oder eine Metakommunikation tritt auf, eine Diskussion über das Spiel im Spiel, wie das ändern von Regeln während des Spiels. So kann ein Kind im Rollenspiel von seinem Freund darauf hingewiesen werden, das es sich für die Rolle, z.B. des Vater, untypisch verhält und sein Rollenverhalten zu ändern hat.

1.4.6. Das Lernspiel

Der Mensch lernt im Spiel häufig leichter, als durch andere übliche Lernmethoden. So bietet das Spiel dem Spieler ein positives emotionales Erlebnis und befriedigt somit den Selbstzweck nach Unterhaltung, das auch durch ansonsten lästiges ständiges Wiederholen nicht gebrochen wird, da hier das Master Play angestrebt wird, man will das Spiel beherrschen.

Außerdem kann im Spiel eine Realitätstransformation, eine andere lustvolle Umgebung, stattfinden, was den Spieler zusätzlich motiviert (Oerter, 1996, S. 6-9).

Als Lernspiel werden Materialien gekennzeichnet, die Regeln von Gesellschaftsspielen übernehmen und deren Inhalte didaktisch konzipiert sind. Das Lernspiel ist nicht zweckfrei und entfaltet keine gestalterischen Möglichkeiten, es ist eher mit experimentellen Tätigkeiten vergleichbar. Es soll als Selbstbildungsmittel einen deutlichen Aufforderungscharakter haben, Spielablauf und Ziel müssen unmittelbar aus dem Material hervorgehen, das Ergebnis muss vom Schüler nach Möglichkeit selbst kontrolliert werden können, es muss einen angestrebten Lernstoff vermitteln und festigen und es muss das Anspruchsniveau des Schülers treffen.

Daraus folgt, dass Lernspiele nur in seltenen Fällen zum Erwerb von Fähigkeiten und Wissen verwendet werden können. Es geht in der Regel um spielerische Festigung und Anwendung eines bereits gelernten Unterrichtsinhaltes.

1.5. Didaktische Kriterien für das Spielen im Unterricht

Methodenbewusstsein

Spielen im Unterricht soll nicht nur “Action und fun” sein. Schüler müssen Lernfortschritte und -defizite erkennen können. So muss das Spielmaterial eine selbständige Lernkontrolle ermöglichen und Spielszenen müssen mit Auswertungsphasen verbunden werden.

Selbstdisziplin

Beim Spielen achten die Kinder darauf, dass Spielregeln eingehalten werden, was Selbstdisziplin erfordert. Außerdem entdecken sie ihre eigenen Gefühle und lernen dabei mit ihnen umzugehen, indem sie diese kontrollieren. So müssen sie mit Niederlagen umgehen können und sich konzentrieren.

Soziales Lernen

Viele Spiele verlangen eine Balance zwischen Egoismus und Solidarität, wie z.B. Mannschaftssportarten, so dass die Kinder eine gesunde Mischung zwischen diesen beiden Polen erlernen können. Ebenso kann man Themen wie Gewalt, Streit, Angst usw. im Spiel leichter behandeln. Man kann Verhaltensregeln leichter
im Spiel einüben, als wenn man über “echte” Probleme spricht. Hierzu eignet sich insbesondere die Meta-Kommunikation.

Produktorientierung

Es sollte möglichst häufig beim Spielen etwas herauskommen, was später ausgewertet werden kann. So kann man den Produkten die Lernentwicklung und den Spaß ansehen. Als Beispiele für Produkte kann man eine auf Video dokumentierte Theaterszene oder ein protokolliertes Planspiel nennen.

Lernintensivierung

Unterrichtsinhalte, die sonst flüchtig bearbeitet werden, können durch ein Spiel intensiver behandelt werden, da das Spiel den Aneignungsprozess verlangsamt.

Ebenso ermöglicht das Spiel andere Lernrhythmen, wie Muße und Konzentration, Spannung und Lösung, sowie Freude und Ärger.

(nach Meyer/Paradies, 1994, S. 10-16)

1.6. Zusammenfassung

Wie ich nun gezeigt habe, sind Spiele im Unterricht eine sinnvolle Ergänzung im Unterrichtsstil. Es wird jeden Tag und überall auf der Welt gespielt – es spielen Kinder, Jugendliche wie Erwachsene gleichsam. Spielen ist ein nicht erklärbares Urphänomen, das eine Erholungsfunktion besitzt, Triebe befriedigen kann und eine Selbstausbildung mit sich zieht.

Unsere Schüler sollen auf die Zukunft vorbereitet werden. Das setzt nicht nur fachliches Wissen voraus, sondern auch den Erwerb von Kompetenzen und Qualifikationen. Spiele helfen uns dabei und sind eine wertvolle Ergänzung unserer Unterrichtsmethoden.

Man darf aber nicht nur spielen, sondern muss versuchen, die Waagschale zwischen den traditionellen und handlungsorientierten Unterrichtsmethoden zu halten.

Spiele machen Spaß und wenn sie zur rechten Zeit und didaktisch richtig eingesetzt werden, dann verbessern sie die Aufnahme des Lernstoffes.